UNIVERSITÄTSKLINIK FÜR RADIOLOGIE UND NUKLEARMEDIZIN

Selektive Interne Radio-Therapie (SIRT)

SIRT steht für "Selektive Interne Radiotherapie" (Synonym: Radioembolisation der Leber) und ist eine neuere, minimal-invasive Behandlungsform von bösartigen Leberumoren für Patienten, bei denen eine Operation nicht in Frage kommt oder/und sich eine Chemotherapie als unwirksam erwiesen hat. Die SIRT wird gemeinsam von Nuklearmedizinern und Radiologen unter angiographischer Kontrolle durchgeführt.

Wie wirkt die SIRT?

SIRT3Die SIRT beruht auf dem Einbringen kleiner radioaktiver Kügelchen ("Mikrosphären", Produktname: SIR-Spheres® mit einem Durchmesser von c. 35 µm) in das Tumorgewebe der Leber. Dazu wird nach örtlicher Betäubung die Schlagader im Leistenbereich punktiert und ein flexibles Gummiventil - eine sogenannte "Katheterschleuse" in das Gefäß eingelegt. Hierüber wird ein Katheter in die Leberarterie (Leberschlagader) gelegt und von dort aus werden die Mikrosphären appliziert. Das in den Kügelchen enthaltene radioaktive Element Yttrium-90 strahlt über mehrere Tage hinweg (physikalische Halbwertszeit ca. 64 Stunden) über eine kurze Entfernung von maximal 11 Millimeter Reichweite mit hoher lokaler Wirkung ("Beta-Strahlung"). Dadurch kann die Gefahr einer Schädigung umliegender, gesunder Organstrukturen reduziert werden.

Bild: Spect/lowdose CT mit der Darstellung einer tumororientierten Einlagerung der 90Yttrium-markierten SIR-Spheren® im rechten Leberlappen bei einem Patienten mit Lebermetastasen bei Dickdarmkrebs. 

Wann kann die SIRT durchgeführt werden?

Indikationen für eine SIRT sind primäre (z. B. Hepatozelluläres Karzinom (HCC), Cholangiozelluläres Karzinom (CCC)) und sekundäre (z. B. Metastasen eines Kolorektalen Karzioms, eines Mammakarzinoms, eines Melanoms, Karzinoide) Tumore der Leber. Im Vorfeld ist sicherzustellen, dass andere lokale und systemische Therapieverfahren nicht (mehr) möglich sind, oder keinen ausreichenden Behandlungserfolg bieten. Hierzu gehören z.B. Operation, thermische Ablation, Brachytherapie oder lokale bzw. systemische Chemotherapien.

Zusätzlich müssen unter anderem folgende Kriterien erfüllt sein:

  • Andere Therapieoptionen weitgehend ausgeschöpft
  • in der Vorbereitungs-Angiographie kein Nachweis eines Refluxes einer Anreicherung in andere Organbereiche
  • Shuntvolumen zwischen Leber und Lunge < 20%
  • erhaltene Leberfunktion
  • Führende Tumorlast in der Leber
Welche weiteren Voruntersuchungen sind nötig?

Dem Eingriff selbst geht zunächst eine Prüfung der Indikation auf Basis aller vorliegenden Bild- und Therapieverläufe voraus. Dies erfolgt nach intersiziplinärer Absprache mit behandelnden Onkologen, Chirurgen und Strahlentherapeuten meist im Rahmen eines interdisziplinären Tumorboards.

Stellt sich hierbei heraus, dass die SIRT Behandlung tatsächlich eine viel versprechende Option darstellt, sind weitere Untersuchungen nötig, für die die Patienten auf unsere Station DR7 stationär einbestellt werden.

Während dieses in der Regel zwei- bis dreitägigen Aufenthalts werden neben einer ausführlichen Bestimmung von Laborwerten eine MRT der Leber sowie eine CT des Brust- und Bauchraumes durchgeführt. Die beiden letztgenannten Untersuchungen haben zum Ziel, die aktuelle Ausdehnung und Ausprägung des Leberbefalls nocheinmal zum aktuellen Zeitpunkt festzustellen.

Im Anschluß erfolgt eine Evaluationsangiographie, hierbei wird die Gefäßversorgung der Leber mittels einer Gefäßdarstellung (Angiographie) unter Durchleuchtung sichtbar gemacht. Dies geschieht  –wie später bei der Therapie auch- durch das Einführen eines kleinen Katheters in die Leiste, der bis in die Leberregion vorgeschoben wird.

Gefäße der Leber die einen atypischen Verlauf zeigen und zu anderen Organen führen und damit für die SIRT ein Problem darstellen, können so frühzeitig erkannt und ggf. verschlossen werden. Zudem wird im Rahmen dieser Untersuchung die eigentliche Therapie durch Einspritzen eines radioaktiven Stoffes mit ähnlichen Eigenschaften wie die therapeutischen Mikrosphären simuliert. Diese Substanz enthält jedoch keine schädigende Strahlung. Es kann somit die Verteilung der eigentlichen Therapiesubstanz im Vorfeld abgeschätzt werden und ein Durchfluss (Shunt) in die Lunge ausgeschlossen werden.

Wie erfolgt die eigentliche Therapie?

Die Ergebnisse werden dann in einer interdisziplinären, radiologisch-nuklearmedizinischen Besprechung ausgewertet und hinsichtlich der technischen Durchführbarkeit der 90Yttrium-Radioembolisation geprüft. Wenn sich keine Kontraindikationen für die Durchführung der Therapie ergeben, erfolgt die eigentliche Behandlung während eines erneuten stationären Aufenthaltes auf unserer Station ca. 1-2 Wochen nach der Voruntersuchung. Zu diesem Zeitpunkt wird dann zur Vorbereitung der Behandlung erneut eine Gefäßdarstellung der Leber durchgeführt und je nach Erfordernis kleine Gefäßäste verschlossen, um mit einem hohen Maß an Sicherheit einen Abstrom der Therapiesubstanz in andere Organe auszuschließen. Dann wird die Therapiesubstanz langsam und portionsweise (ca. über 30 Minuten) über den liegenden Katheter in die Leberarterie und unter Prüfung der jeweiligen Flussverhältnisse eingespritzt. Je nach Tumorbefall der Leber wird die Therapie beider Leberlappen auf 2 Sitzungen mit einem Abstand von ca. 4 - 6 Wochen aufgeteilt um eine größtmögliche Schonung des gesunden Lebergewebes zu gewährleisten. Nach der Verabreichung der SIR-Spheres® wird der Katheters entfernt und wie bei der Vordiagnostik soll der Patient im Anschluss ca. 24 Stunden Bettruhe einhalten, um eventuellen Nachblutungen aus der Leiste vorzubeugen. Nach der Therapie wird die Verteilung der SIR-Spheres® im Rahmen einer Ganz- und Teilkörperszintigraphie dokumentiert. Aufgrund der radioaktiven Behandlung ist nach der Therapie ein stationärer Aufenthalt von mindestens 2 Tagen gesetzlich vorgeschrieben, sodass die Patienten bei komplikationslosem Eingriff in der Regel nach 2-3 Tage entlassen werden können.

Welche Nebenwirkungen sind möglich?

Meist wird die Behandlung gut vertragen. Bei einigen Patienten treten allerdings kurzzeitig (u.U. bereits während der Behandlung aber auch in den ersten 2 Wochen nach der Therapie) Oberbauchschmerzen, Übelkeit und Fieber auf, die sich aber in der Regel durch Gabe von Medikamenten sehr gut behandeln lassen und meist rasch wieder abklingen. Häufig besteht nach der Behandlung noch über mehrere Tage oder Wochen Müdigkeit und verringerter Appetit. Sehr selten können schwerwiegende Nebenwirkungen auftreten, z.B. dann, wenn trotz aller Vorsichtsmaßnahmen Mikrosphären in andere Organe (z.B. den Magen, die Bauchspeicheldrüse, die Lunge) abgeflossen sind. Auch kann in seltenen Fällen die Strahlenexposition des normalen Lebergewebes zu einer zeitweiligen oder bleibenden Verschlechterung der Leberfunktion (Strahlenhepatitis) führen. Dieser Effekt ist in der Regel erst ca. 2 Monate nach der Therapie zu beobachten. Um solch einer postradiogenen Leberfundktionsstörung vorzubeugen erhalten die Patienten bis zur ggf. zweiten SIRT-Sitzung und darüber hinaus für die nächsten 8 Wochen eine leber- und magenprotektive Medikation. Dies wird den Patienten während des stationären Aufenthaltes genau erklärt.  

Ist die Behandlung schmerzhaft?

Jeder Patient erhält einen peripher venösen Zugang, damit Infusionen oder Medikamente während des Eingriffs verabreicht werden können. Im Bereich des Zugangsweges in der Leiste wird die Einstichstelle örtlich betäubt. Unter dieser Medikation erfolgt der Eingriff in der Regel schmerzfrei. Während der Behandlung werden die Vitalparameter des Patienten (Puls, Blutdruck) in regelmäßigen Abständen kontrolliert und auch dokumentiert. Gelegentlich kommt es nach dem Eingriff zu einem Postembolisations-Syndrom. Minuten bis Stunden nach der Prozedur kann es zu mehr oder minder starken Oberbauchsschmerzen kommen. Zusätzlich werden Übelkeit, Erbrechen und Fieber beobachtet. Diese Beschwerden lassen sich jedoch medikamentös sehr gut beherrschen. Diese Symptomatik kann in seltenen Fällen bis zu einer Woche nach der Therapie andauern.

Wie hoch ist die Strahlenexposition?

Das in den Kügelchen enthaltene radioaktive Element Yttrium-90 strahlt über mehrere Tage hinweg (physikalische Halbwertszeit ca. 64 Stunden) über eine kurze Entfernung von maximal 11 Millimeter Reichweite mit hoher lokaler Wirkung ("Beta-Strahlung"). Dadurch wird in der Leber bzw. im Tumorgewebe eine sehr hohe Strahlendosis erreicht, während im gesunden Lebergewebe bzw. in den umliegenden Organstrukturen nur eine sehr geringe Strahlenexposition entsteht.

Innerhalb der Leber entsteht durch Wechselwirkung mit dem Gewebe Röntgenbremsstrahlung, die eine größere Reichweite als die Betastrahlung aufweist. Daher ist in Deutschland ein 48-stündiger Aufenthalt auf einer entsprechend ausgestatteten Station erforderlich.

Nach ca. 11 Tagen ist keinerlei Strahlenemission des Patienten mehr nachweisbar. Die vom Patienten ausgehende Strahlung ist dabei so gering, dass nach Ablauf der ersten 48 Stunden gegenüber anderen Personen keine weiteren Schutzmaßnahmen mehr notwendig sind.

Einzig gegenüber Schwangeren sollte in den ersten Tagen nach der SIRT etwas Abstand eingehalten werden.

Welche Erfolge sind zu erwarten?

Die Behandlung mittels SIRT kann keine Heilung der Tumorerkrankung erzielen, auch wenn die Behandlung bei einzelnen Patienten den Tumor so reduzieren konnte, dass er mit den gängigen Untersuchungsverfahren nicht mehr nachweisbar war. Primäres Behandlungsziel ist eine Lebensverlängerung und eine Verbesserung der Lebensqualität. In Einzelfällen kann durch die SIRT jedoch eine so starke Reduktion des Tumorvolumens erzielt werden, dass im Verlauf die restlichen Tumoranteile operativ entfernt oder durch Mikrowellenablation/Brachytherapie behandelt werden können. In den meisten Fällen wird als Zeichen des Therapieerfolges ein Abfall der Tumormarker nachweisbar.

Welche Nachsorge ist erforderlich?

Eine Kontrolle des Therapieerfolges erfolgt mit CT und/oder MRT und Blutkontrollen in 3-Monats Abständen. Dazu erhält der Patient (falls dies gewünscht ist) automatisch einen Termin über unsere Ambulanz.

Wer übernimmt die Kosten für die Behandlung?

Die SIRT ist eine kostenintensive Behandlungsmaßnahme, für die in einzelnen Zentren - wie der Universitätsklinik Magdeburg - die Kosten im Rahmen spezieller Verträge von den Krankenkassen übernommen werden. Sollten Patienten nicht in Deutschland krankenversichert sein, bitten wir um rechtzeitige Kontaktaufnahme, um die Kostenübernahme durch ggf. ausländische Krankenkassen im Vorfeld rechtzeitig klären zu können.

Wie erfolgt die Anmeldung zu einer SIRT-Therapie?

Zunächst ist zu prüfen, ob die grundsätzlichen Voraussetzungen für eine Behandlung erfüllt sind (siehe obige Ausführungen). Zur Begutachtung Ihres Falles schicken Sie uns bitte

  • vorliegende medizinische Bericht Ihres behandelnden Arztes mit der Schilderung Ihrer Art des Tumors (z.B. Arztbriefe, Bericht des Pathologen etc), und Ihren aktuellen Beschwerden und relevanten Vor- und Begleiterkrankungen
  • eine Zusammenstellung der bisher erfolgten Behandlungen (möglichst exakte Aufstellung der durchgeführten Chemotherapien, den entsprechenden Behandlungszeitraum und den Erfolg der Behandlung).
  • Aktuelle Computertomographie oder Magnetresonanztomographie von Brust- und Bauchraum (Bilddaten auf CD-ROM oder Film, Befundkopie).
  • Aktuelle Laborwerte (Tumormarker-Labor, Leberwerte, Bilirubin).
  • und einen Überweisungsschein (Evaluation SIRT)

Bei der Beschaffung dieser Unterlagen ist in der Regel der Hausarzt oder der behandelnde Onkologe behilflich.

an folgende Adresse:

Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin
Universitätsklinikum Magdeburg
Ambulanz für Mikrotherapie
Leipziger Str. 44
39120 Magdeburg
Tel.: +49 0391-67-13199
Fax: +49 0391-67-13029

Nach Eingang Ihrer medizinischen Unterlagen werden diese von uns sorgfältig geprüft und Ihnen zeitnah mitgeteilt, ob die SIRT für Sie in Frage kommt.

 

SIRT1...SIRT2

Selektive interne Radiotherapie (SIRT): Zielgenaue "Bestrahlung von innen" bei primären und sekundären Lebertumoren mit Ytthrium90 markierten Mikrospheren (Kügelchen von Mikrometergröße), die über die Lebergefäße verabreicht werden. Die Vorbereitung hierzu erfordert eine Embolisation kleiner Magen-/Dünndarm-Gefäße zur Vermeidung von Geschwüren (links) sowie eine Simulierung der Mikrosphären-Einlagerung in den Lebermetastasen (rechts).

Letzte Änderung: 11.04.2023 - Ansprechpartner:

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